Deutsche Inflation fällt weiter: EZB vor neuer Zinssenkung trotz Handelsrisiken

Während die Teuerungsrate in Deutschland unter Erwartungen auf 2,3 Prozent sinkt, bereitet die EZB weitere Lockerungen vor – trotz drohender Handelskonflikte mit den USA.

Die Kernpunkte:
  • Kerninflation fällt auf 2,5 Prozent
  • Trumps Zollpläne beunruhigen Finanzmärkte
  • Goldpreis erreicht historischen Höchststand
  • Divergierende geldpolitische Strategien weltweit

Die deutsche Inflation ist im März stärker als erwartet gefallen und bereitet damit den Weg für weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB). Nach den am Montag veröffentlichten vorläufigen Daten des Statistischen Bundesamtes sank die harmonisierte Inflationsrate auf 2,3 Prozent, nach 2,6 Prozent im Februar. Experten hatten lediglich mit einem Rückgang auf 2,4 Prozent gerechnet. Auch die Kerninflation, die volatile Energie- und Lebensmittelpreise ausschließt, fiel von 2,7 auf 2,5 Prozent.

Zinssenkungsperspektive der EZB nimmt Gestalt an

Die EZB hat seit Juni 2023 bereits sechs Mal die Leitzinsen gesenkt, zuletzt im März auf einen Einlagensatz von 2,5 Prozent. Mit den nun vorgelegten deutschen Inflationsdaten verdichten sich die Hinweise auf eine weitere geldpolitische Lockerung. „Als Folge der aktuellen Entwicklungen erwarten wir, dass die Gesamtinflation volatil bleibt, sich aber weitgehend im Bereich zwischen 2 und 2,5 Prozent bewegen wird“, erklären Analysten der ING Bank.

Die nächste Zinsentscheidung der EZB steht für den 17. April an. Dabei dürften alle Optionen erneut auf dem Tisch liegen. Nach Einschätzung von Beobachtern könnte die sich beschleunigende Disinflation die Notenbank motivieren, die Leitzinsen weiter in Richtung eines neutralen Niveaus zu senken – trotz potenzieller längerfristiger Inflationsrisiken durch fiskalpolitische Stimuli.

Trump-Zölle und ihre Auswirkungen auf Europa

Für die EZB und die europäischen Märkte stellt die am 2. April erwartete Ankündigung weltweiter Zölle durch US-Präsident Donald Trump eine bedeutende Herausforderung dar. Die britische Regierung hat am Montag bereits erklärt, dass sie davon ausgeht, von diesen Maßnahmen betroffen zu sein. Auch die EU bereitet sich auf Zölle vor, insbesondere nachdem bereits Aufschläge auf Aluminium, Stahl und Automobile eingeführt wurden.

Laut ING könnten die drohenden Handelsspannungen und mögliche europäische Vergeltungsmaßnahmen kurzfristig zusätzlichen Inflationsdruck erzeugen. Mittelfristig könnte jedoch „jeder Handelskrieg auch zu einer disinflationären Kraft für Deutschland und die Eurozone werden, wenn das Wachstum schwächer ausfällt und Unternehmen möglicherweise ihre erhöhten Lagerbestände verkaufen müssen.“ Europäische Waren, die ursprünglich für den US-Markt bestimmt waren, könnten dann auf dem europäischen Markt zu Dumpingpreisen landen.

Finanzmarktreaktionen: Goldpreis auf Rekordhoch, Optionsvolumen steigt

Die Unsicherheit durch die anstehenden Zollmaßnahmen spiegelt sich bereits deutlich in den Finanzmärkten wider. Der Goldpreis erreichte am Montag mit über 3.100 Dollar pro Unze ein neues Rekordhoch und steht vor dem stärksten Quartal seit 1986. „Der Goldpreisanstieg ist ein Spiegelbild der Sorge um Zölle. Die Befürchtung, dass diese Zölle das Wachstum einschränken und möglicherweise zu schlechteren wirtschaftlichen Ergebnissen führen könnten, unterstützt Gold“, erklärte Nitesh Shah, Rohstoffstratege bei WisdomTree.

Gleichzeitig ist ein deutlicher Anstieg im Handel mit Währungsoptionen zu beobachten. Hedgefonds und Vermögensverwalter kaufen verstärkt Optionen auf ausländische Währungen, um ihre Portfolios gegen marktbewegende Ereignisse abzusichern, die durch Trumps Zollpolitik ausgelöst werden könnten. „Wenn man auf tatsächlich eintretende Zölle oder große Schocks für das Finanzsystem durch die neue US-Regierung spekulieren möchte, haben FX-Optionen und die Devisenmärkte im Allgemeinen einen Moment in der Sonne“, sagte Peter Vassallo, FX-Portfoliomanager bei BNP Paribas Asset Management.

Die Handelsvolumina bei EUR/USD-Optionen stiegen im Januar um 104 Prozent auf 852 Milliarden Dollar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während exotische Strategien wie digitale Optionen und Barriere-Kontrakte – Verträge, die aktiviert werden, wenn ein bestimmter Preisschwellenwert erreicht wird – mehr als das Doppelte auf 26 Milliarden Dollar im Euro und um mehr als 2.000 Prozent auf 7,3 Milliarden Dollar beim kanadischen Dollar zulegten.

Globale geldpolitische Divergenzen

Im Gegensatz zur erwarteten weiteren Lockerung der EZB-Geldpolitik zeigen sich in anderen Regionen unterschiedliche Entwicklungen. In Polen prognostizierte eine Umfrage der Zentralbank, dass die durchschnittliche jährliche Inflation im Jahr 2025 bei 4,1 Prozent liegen wird, bevor sie 2026 auf 3,2 Prozent und 2027 auf 2,7 Prozent sinken soll. Der Leitzins der polnischen Nationalbank liegt seit Oktober 2023 unverändert bei 5,75 Prozent, und Analysten erwarten keine Zinssenkung bei der anstehenden Sitzung diese Woche.

In Großbritannien hat die Bank of England derweil eine Erhöhung der Schutzbegrenzung für Sparguthaben von 85.000 auf 110.000 Pfund (rund 142.300 Dollar) vorgeschlagen, falls eine Bank ausfällt. Eine solche Erhöhung würde den Einlagenschutz über das EU-Niveau von 100.000 Euro, aber unter das US-Niveau von mindestens 250.000 Dollar pro Einleger heben. „Das Vertrauen in unser Finanzsystem ist eine wesentliche Grundlage für wirtschaftliches Wachstum. Wir möchten das Vertrauen in unsere Banken unterstützen, indem wir den Betrag erhöhen, den die Menschen auf ihrem Konto halten können“, erklärte Sam Woods, stellvertretender Gouverneur für Aufsicht und CEO der Prudential Regulation Authority (PRA).

Die chinesische Zentralbank (PBOC) hat im März 800 Milliarden Yuan (rund 110,32 Milliarden Dollar) durch direkte umgekehrte Rückkaufgeschäfte in das Bankensystem eingespeist. Da im gleichen Monat jedoch Repos im Wert von 700 Milliarden Yuan ausgelaufen sind, betrug die Nettoinjektion nur 100 Milliarden Yuan – die kleinste Nettoinjektion seit Einführung des Instruments im November letzten Jahres. Markteilnehmer beobachten auch hier genau die Auswirkungen der am 2. April erwarteten US-Zölle, die die Yuan-Stimmung beeinflussen und das Tempo der geldpolitischen Lockerung der PBOC beeinflussen könnten.

Wirtschaftliche Aussichten für die Eurozone

Mit Blick auf die weitere Entwicklung in der Eurozone deuten die Frühindikatoren darauf hin, dass die EZB-Prognose eines BIP-Wachstums von 0,2 Prozent im ersten Quartal erneut zu optimistisch gewesen sein könnte, während die Inflation weiter sinkt. Für Deutschland spielen zwei zusätzliche gegenläufige Trends eine wichtige Rolle für den künftigen Inflationsverlauf: Einerseits sollte die Abkühlung des Arbeitsmarktes den Lohndruck und damit den Inflationsdruck verringern, andererseits ist die verzögerte Weitergabe höherer Dienstleistungskosten noch in vollem Gange.

Das britische Haushaltswatchdog Office for Budget Responsibility (OBR) warnte letzte Woche, dass höhere US-Importzölle die wirtschaftliche Aktivität des Vereinigten Königreichs schädigen und fast den gesamten fiskalischen Puffer der Regierung aufzehren würden. Das OBR erklärte, US-Zölle auf seine Handelspartner könnten die Größe der britischen Wirtschaft – die stark von Schwankungen im internationalen Handel abhängig ist – um bis zu 1 Prozent verringern.

Die Experten der ING fassen die Situation treffend zusammen: „Die langfristigen Aussichten für die Eurozone haben sich verbessert, während die kurzfristigen Aussichten wieder düsterer erscheinen. In einem solchen makroökonomischen Umfeld ist es nicht einfach, Geldpolitik zu betreiben.“