Last Call! – Der Marktbericht am Abend: Mit Compleo Charging Solutions, Software AG, LPKF Laser, Netflix, Verizon und Ant Financial
Guten Abend,
wie gefährlich sind die großen Internet-Konzerne für den Wettbewerb? Das ist eine Frage, die in den kommenden Monaten nun mehr oder weniger gerichtsfest beantwortet werden muss. Wie mein Kollege schon gestern angesprochen hatte, hat das US-Justizministerium Wettbewerbsklage gegen Google eingereicht. Damit läuft nun der schwerste Angriff gegen einen bedeutenden IT-Konzern seit dem Microsoft-Prozess vor 20 Jahren. Der Vorwurf ist relativ schnell skizziert: Man wirft Google vor, die Konkurrenz unfair zu benachteiligen.
Natürlich: Es ist richtig, die Marktmacht solcher Konzerne wie Google immer wieder auch zu hinterfragen, auch mit Blick auf einen fairen Wettbewerb, der den Amerikanern geradezu heilig ist und für dessen Durchsetzung sie auch mit harten Bandagen kämpfen. Aber, und das ist auch das größte Pfund, mit dem Google wuchern kann: Kein Konzern kann dafür verurteilt werden, eine deutlich bessere Technologie als seine Wettbewerber einzusetzen. Und bekanntlich werden die Verbraucher ja nicht dazu gezwungen, Google zu benutzen. Es stehen auch andere Suchmaschinen zur Verfügung.
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Dass diese sich am Markt nicht durchsetzen können, ist wohl nur schwerlich Google anzukreiden. Allerdings sollte man das nicht zu sehr auf die leichte Schulter nehmen. Natürlich könnte sich hieraus ein Präzedenzfall ergeben, der dann auch andere Branchengrößen wie Facebook oder Amazon am Ende in die Ecke drängt. Aktuell erwarte ich keine wesentlichen Einflüsse auf die Aktienbewertung. Man muss sich ja schließlich auch vorstellen, dass solch ein Mega-Verfahren nicht in wenigen Wochen oder Monaten abgeschlossen wird, sondern da werden in allen möglichen Instanzen Jahre ins Land gehen. Und das interessiert die Börse momentan bis auf den kurzen Augenblick der Tatsachen-News nicht. Aber: Umsichtige Anleger haben natürlich trotzdem immer zumindest ein halbes Auge auf diesen Sachverhalt.
Die aktuelle Lage:
DAX: Hatte es noch nach einem recht freundlichen Handelstag zur Wochenmitte ausgesehen, lag der DAX zum Schluss wieder deutlich im Minus. Immerhin jetzt schon der dritte Tag in Folge. Damit hat sich der mögliche Angriff auf die 13.000 Punkte vorerst erledigt. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass wieder der untere Rand des aktuellen Seitwärtstrends getestet wird. Mir egal. Mich interessieren derzeit sowieso mehr die einzelnen Storys und weniger das allgemeine Marktgeschehen. Allerdings muss auch ich zugeben, dass die Signale im Rahmen der Quartalsberichte derzeit eher eingetrübt sind. Aber das ist immer noch nur eine Momentaufnahme und noch längst nicht trendbildend. Also: Alles quittieren, analysieren und was tatsächlich Sinn ergibt, kann weiterhin gekauft werden.
Wall Street: Das derzeit treibende Thema in New York ist und bleibt die Hoffnung auf ein Konjunkturpaket noch vor den Wahlen. Selbst Nancy Pelosi, Verhandlungsführerin der Demokraten, hat inzwischen von Fortschritten gesprochen. Sie stellte sogar in Aussicht, dass es ein Paket noch vor dem Wochenende geben würde. Ob das allerdings genügend republikanische Senatoren überzeugt, bleibt abzuwarten. Also auch hier: Die auf der Stelle tretende Markttendenz ist vorerst zu ignorieren und lieber auf die einzelnen Storys zu schauen.
Heute auf der Agenda:
Außer Spesen nichts gewesen. Eigentlich kann es nicht wirklich wundern! Der Börsengang des Ladesäulen-Herstellers Compleo Charchging Solutions an der Frankfurter Börse wurde im Vorfeld medial eher schwach begleitet. Dabei besetzt das Unternehmen ja durchaus ein absolutes Trendthema, nämlich die notwendige Infrastruktur für die auch politisch vorangetriebene E-Mobility-Revolution. Aber schon, dass die Aktie bei einer Bookbuilding-Spanne von 44 bis 59 € mit einem Ausgabepreis von 49 € nicht mal beim Mittelwert landete, hätte schon eine Warnung sein können. Eröffnet hatte die Aktie dann heute mit 44 € und aus dem Markt ging man mit 46,80 €. Wird also sicherlich ein schwieriges Stück Arbeit, dass sich die Aktie am Markt etablieren kann. Unter Beobachtung würden ich sie dennoch stellen wollen, da – wie oben angesprochen – das Thema selbst interessant und mit einer entsprechenden Perspektive versehen bleibt.
Beim SAP-Konkurrenten Software AG lief es nach vorläufigen Zahlen im abgeschlossenen dritten Quartal zumindest bei den Vertragsabschlüssen sehr gut. Wie das Unternehmen meldete, konnte man rund 30 Millionen € an neuen Aufträgen verbuchen. Allerdings blieb man bei Umsatz und operativen Gewinn im Rückwärtsgang. Das schiebt das Management insbesondere auf weitere Investitionen in den Unternehmensumbau. Außerdem hat Software AG an einem massiven Hackerangriff zu knabbern. Die Zahlen insgesamt stießen heute nicht sonderlich auf Begeisterung. Hier sind einfach noch zu viele Hausaufgaben zu machen. Deshalb schloss die Aktie auch unter der 200-Tage-Linie, was nun tatsächlich langsam kritisch wird. Einzige technische Hoffnung ist jetzt sicherlich, ob doch die Unterstützungszone im Bereich 34/35 € halten kann. Das gilt es zu beobachten. Einen aktuellen Kauf schließt das allerdings aus.
Wenig Freude machte heute auch die Aktie des Laserspezialisten LPKF. Dieser meldete für das zurückliegende dritte Quartal einen Umsatzeinbruch um knapp 27 % auf 25,2 Millionen €. Allerdings war das so schon erwartet worden. LPKF selbst hatte hier eine Prognosespanne von 24-27 Millionen € vorgegeben. Beim operativen Ergebnis vor Zinsen und Steuern erreichte LPKF mit 4 Millionen € aber ein weitaus besseres Ergebnis als die Prognosespanne von 1-3 Millionen €. Allerdings half das nicht der Aktie. Denn diese verbuchte heute ein kräftiges Minus von 5,6 %. Jetzt kann eigentlich nur noch die aktuelle Unterstützung bei rund 18,30 € helfen. Da die mittel- bis langfristigen Perspektiven von LPKF weiterhin positiv sind, werde ich LPKF unter Beobachtung halten. Ein Einstieg aktuell kommt aktuell nicht infrage.
Kurz von der Wall Street:
Der T-Mobile-Konkurrent Verizon konnte mit seinen Quartalszahlen positiv überraschen. Allerdings bleibt unter dem Strich, dass man im dritten Quartal sowohl weniger umgesetzt als auch verdient hat. Da wird es wohl zumindest kurzfristig nicht viel helfen, dass man für das Gesamtjahr jetzt etwas optimistischer ist und beim bereinigten Ergebnis je Aktie ein Ergebnis auf Vorjahresniveau bis +2 % erwartet. Die bisherige Prognose lag bei einem Rückgang von bis zu 2 %. Die Aktie hängt gerade auf ihrer 200-Tage-Linie. Mal schauen, ob die positive Überraschung ausreicht, um hier einen Test erfolgreich werden zu lassen. Auf jeden Fall nur aktuell beobachten und nicht einsteigen.
Gestern Abend hatte schon Netflix seine Zahlen zum dritten Quartal gemeldet. Heute gibt es dafür einen kräftigen Kursabschlag. Was damit zusammenhängt, dass der Marktführer im Streaming-Bereich im letzten Quartal nur 2,2 Millionen Bezahlabos dazugewinnen konnte. Im ersten Quartal waren es Corona-bedingt ja noch rekordhafte 15,8 Millionen, gefolgt von 10,1 Millionen Abonnenten im zweiten Quartal. Damit bewahrheiten sich vorerst die Befürchtungen, dass hier sehr starke Vorzieh-Effekte im ersten Halbjahr stattfanden. Dazu passt auch, dass Netflix mit einer Prognose von 6 Millionen neuen Abonnenten im laufenden Quartal ebenfalls unter den Markterwartungen von rund 8,8 Millionen bleibt.
Auch wenn Netflix langfristig weiterhin aufgrund seiner Marktstellung interessant bleibt, braucht die Aktie jetzt erst mal eine Pause. Hier schaue ich auf die Unterstützung bei rund 470 Dollar, vielleicht geht es auch noch bis auf die 200-Tage-Linie runter. Erst wenn sich die Aktie wieder fängt, reden wir über einen möglichen Neueinstieg oder Aufstockung.
Bei Ant Financial scheint nun der Countdown zum größten Börsengang aller Zeiten anzulaufen. Denn die Finanz-Tochter des E-Commerce-Giganten Alibaba hat von der chinesischen Wertpapieraufsicht auch noch grünes Licht für die geplante Platzierung in Shanghai erhalten. Damit steht dem Doppel-Listing in Hongkong und Shanghai zumindest von chinesischer Seite nichts mehr im Wege. Angeblich will das Unternehmen nun in der nächsten Woche schon die Orderbücher öffnen.
Ein möglicher Termin für den Börsengang soll wenige Tage nach der US-Präsidentschaftswahl liegen. Apropos USA: Hier machen bekanntlich die Republikaner Front gegen die Teilnahme der Wall Street an dem Börsengang wegen der Hongkong-Politik der chinesischen Regierung. Aber ich würde hier nicht drauf spekulieren, dass sich New York komplett ausgeklinkt. Dazu ist das angestrebte IPO und auch das Gewicht des Unternehmens viel zu groß. Ob ich selbst Ant Financial zum Kaufen empfehle, mache ich aber an den konkreten Preisspannen fest.
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