Last Call! – Der Marktbericht am Abend: Trumps Corona-„Glück“, mit Daimler, Merck, Beyond Meat, Nvidia und Seaworld Entertainment

Guten Abend,

gut möglich, dass unser Freund Donald mit einem einzigen Satz die Wahl für sich entscheiden kann. In der Geschichte der politischen Wahlkämpfe ist das keine Seltenheit, insbesondere dann, wenn es nur um wenige Wählerstimmen geht, um über Sieg und Niederlage zu entscheiden. Gestern Abend ist ein solcher Satz gefallen.

„Lasst euch nicht von Corona dominieren.“

Nicht wenige amerikanische Bürger werden hier drin den Aufruf erkennen, das Virus zwar ernst zu nehmen, aber sich nicht von ihm fremdbestimmen zu lassen. Und damit trifft Donald einen ur-amerikanischen Nerv. Ja, wir nehmen Probleme und Krisen wahr und ernst, aber wir lassen uns nicht davon bestimmen, sondern behalten das Zepter in der Hand. Er selber kann sich jetzt sogar als lebendigen Beweis präsentieren, völlig gleichgültig was er vorher gemeint gesagt oder getan bzw. unterlassen hat.

Als jemand, der aus seiner Sicht das Virus besiegt hat, wird er sich wohl kaum zurücknehmen und dies instrumentalisieren. Ob das nun geschmacklos ist oder nicht bzw. ob den Angehörigen der 200.000 Opfer damit auf die Füße getreten wird, ist im größeren Kontext leider nicht so relevant. Denn dafür sind die Amerikaner nun einmal bekannt. Es sind Stehaufmännchen und bei aller Trauer über entstandene Verluste schütteln sie dies relativ schnell ab und machen einfach weiter.

1984 – ich hatte es an dieser Stelle ja schon einmal mit einem Link verknüpft – war es ähnlich. Zwar weniger dramatisch und keinesfalls vergleichbar mit der Situation um die Pandemie, aber auch hier wurde mit einem Satz Wahlkampfgeschichte geschrieben. Ähnlich wie Trump war Ronald Reagan der älteste Präsidentschaftsanwärter in der Geschichte der Vereinigten Staaten. Mit 74 Jahren wurde im Wahlkampf auch bei ihm das Thema „Alter“ in den Vordergrund geschoben. Im Rahmen der Debatte mit Walter Mondale wurde er denn auch gefragt, wie er dazu stünde. Seine Antwort: Ich werde das Thema Alter nicht zu einem Thema dieses Wahlkampfs machen, ich werde nicht, zum Zweck einer politischen Instrumentalisierung, die Jugend und Unerfahrenheit meines Kontrahenten ausnutzen.

Er hatte damit die Lacher auf seiner Seite, die Sympathie ebenfalls, und das Thema wurde für den verbleibenden Wahlkampf nie wieder angesprochen. Walter Mondale hat es am Abend dann seiner Frau gestanden: in dem Moment, wo dieser Satz gefallen war, war für ihn der Wahlkampf vorbei. Und so war es dann auch. Ronald Reagan gewann die Mehrheit in allen 50 Bundesstaaten! Man nennt das einen Landslide. Das dürfen wir dieses Jahr wohl kaum erwarten, aber unter dem Strich spielt es auch keine Rolle.

Ob die Märkte nun anfangen werden, eine zweite Amtszeit von Donald einzupreisen, wage ich zu bezweifeln. Zu knapp legen die beiden Kontrahenten derzeit noch beieinander. Und bekanntlich wird eine Wahl eben erst am Wahlabend entschieden. Gleichwohl stelle ich fest: die Märkte atmen etwas auf. Ist die Konsolidierung damit vorbei? Nein, erst wenn der alte Topstand überschritten ist. Bis dahin ist noch alles möglich.

Die aktuelle Lage:

DAX: Das technische Bild, welches ich zum Ende der Vorwoche gezeichnet hatte, bestätigt sich bislang auch in dieser Woche. Der DAX befindet sich in einem seichten Aufwärtstrend und von Korrektur oder Konsolidierung kann eigentlich keine Rede sein. Vor dem Hintergrund, dass auch an der Wall Street eine gewisse Erleichterung zu spüren ist , gehe ich davon aus, dass sich das auch in dieser und nächster Woche fortsetzt. Vor allem, weil die Berichtssaison unmittelbar auf dem Terminkalender steht und neue Erkenntnisse über das vierte Quartal wahrscheinlich ein guter Puffer nach unten darstellen werden. Meine ursprüngliche Erwartung einer etwas ausgeprägteren Konsolidierung werde ich wohl kommende Woche revidieren müssen. Sei´s drum.

Wall Street: Mein Freund Donald hat jetzt definitiv Aufwind. Gestärkt und genesen aus seiner kurzen Pandemie-Auszeit geht er gleich in die Offensive mit den Demokraten und vertagt das Hilfsprogramm zugunsten der Corona-Geschädigten auf nach der Wahl. Ein kluger Schachzug, der natürlich nicht jedem gefällt und provoziert, aber aus wahltaktischen Gründen nachvollziehbar ist. Die Botschaft ist einfach: Wählt mich und ihr bekommt euer Geld! Das verschnupft die Wall Street, ist aber Teil der Schaukelbörse, wie ich sie bis zum Wahltermin erwarte.

Heute auf der Agenda:

Daimler robbt sich weiter an den alten Höchstkurs heran und punktet heute mit offensichtlich guten Nachrichten aus Fernost und Perspektiven. Zum einen scheinen die Stuttgarter das Tal in China durchlaufen zu haben und, ta-taaa, jetzt wollen auch sie eine führende Rolle bei der Elektromobilität einnehmen. Na sowas. Zitat: Man strebt „die führende Position“ bei Elektroantrieben und Fahrzeug-Software an. Und damit das Ganze auch zahlenmäßig rund wird, sollen die Fixkosten – z.B. durch Einsparungen beim Personal – um 20 % sinken.

Sehr spannend in diesem Zusammenhang: Bis 2025 sollen auch die Forschungs- und Entwicklungsausgaben deutlich sinken. Aha. Und wo kommt dann die Führungsposition her?  Und weil das Ratespiel gerade so gut läuft: Daimler möchte eine ganz neue Fahrzeugklasse auf dem Markt etablieren – den SUL! Die Sport Utility Limousine. Genau das, auf was die Welt gewartet hat! Ok, ich höre auf zu meckern, aber meine Skepsis ist damit zum Ausdruck gekommen. Der Markt sieht es anders, die Aktie steigt. Ich bin nicht drin, bleibe auch draußen, denn große Töne sind nett, Taten und Erfolge wären besser.

Die Merck KGaA hat heute bekanntgegeben, dass die Rechte an einem Medikamentenkandidaten zur Behandlung von Osteoarthrose für 50 Millionen Euro an Novartis verkauft worden sind. Zusätzlich erhalten die Darmstädter potenziell weitere 400 Millionen Euro beim Erreichen bestimmter kommerzieller und Entwicklungsfortschritte. Ich bezweifele, dass dies der Grund für den Anstieg heute ist, denn die Aktie hat eh schon einen guten Lauf. Mit dem Break ist nun auch ein weiteres Kaufsignal für den Herbst gegeben. Wer sie hat, der hält. Zukaufen? Nicht unbedingt.

Kurz von der Wall Street:

Beyond Meat stiegen heute um 6%, nachdem Piper Sandler das Kursziel auf 178 Dollar angehoben hatte. Die Aufstufung folgt Piper Sandlers jüngster „Teen Survey“, bei der 47 % der Jugendlichen angaben, pflanzliches Fleisch zu essen oder es zu probieren bzw. zu bevorzugen. Ich hatte schon im März auf dieses Thema hingewiesen: die nächste Generation von Konsumenten hat ein etwas anderes Bild zum Thema „Ernährung“ und Beyond Meat ist da perfekt aufgestellt. Nach dem Ausbruch aus der Seitwärtsbewegung jetzt wieder ein klarer Kauf mit Kursziel 240 Dollar. Gelingt dort der Ausbruch, wird es heiß bis Weihnachten!

Nvidia legten heute um fast 3% zu, nachdem BMO sein Kursziel für die Aktie von 565 Dollar auf 650 USD pro Aktie angehoben hatte. Das Unternehmen an der Wall Street sagte, es sehe ein höheres „Potenzial“ für das Ergebnis je Aktie, da Nvidia weiterhin mit neuen Produkten und Angeboten innoviert. Ach wirklich? Ist ja ein Ding! Natürlich sind sie das, deshalb halten sie sich auch so gut! Diese Story hat mit der Übernahme von ARM gerade erst angefangen. Wer also nicht drin ist, selber schuld!

SeaWorld Entertainment legten um mehr als 7% zu, nachdem ein Analyst der Credit Suisse sie von neutral auf überdurchschnittlich hochgestuft hatte. Der Analyst erhöhte auch sein Kursziel für die Aktie von 13 Dollar auf 30 Dollar, was einen Anstieg von 46% (!) gegenüber dem Handelsschluss am Montag bedeutet. Der Analyst stellte fest, dass sich drei wichtige Gegenwinde für SeaWorld „entweder geändert haben oder jetzt voll eingepreist sind, was uns bei einer Aktie mit relativ geringen Erwartungen konstruktiver macht“. Welche Gegenwinde das sind, ließ der Gute allerdings offen. Aber es stimmt: Seaworld habe auch ich völlig aus dem Blick verloren – ein Fehler! Wird 2021 sicher ein Renner, deshalb: schon jetzt mit einer Anfangsposition in den Markt gehen!

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