Last Call! – Der Marktbericht am Abend: Von Wellen und Strömungen, mit Hella, Airbus, Nikola und Nel ASA

Guten Abend,

wie immer in Korrekturphasen mehren sich sofort wieder die Stimmen der Apokalyptiker und Crashpropheten. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen, denn es bedeutet, dass sich die Konsolidierung langsam dem Ende nähert.

Heute habe ich zum Beispiel einen Artikel gelesen, in dem wieder einmal die gegenwärtige Marktsituation mit der von 1999 verglichen wurde. Herangezogen wurden, wieder einmal, zahlreiche Grafiken, in denen die überkaufte Marktlage, die Markttechnik an sich und unterschiedliche Indikatoren verglichen wurden. Und natürlich lassen sich Ähnlichkeiten finden, aber es finden sich eben auch unzählige Besonderheiten.

Ich halte diese historischen Vergleiche für grundsätzlich unsinnig. Denn sie dienen allein dem Auftrag, eine leichte Erklärung für die gegenwärtige Situation zu finden. Tatsache ist aber, dass sie in ihrer Prognosefähigkeit eine Trefferquote haben, die genauso gut ist als würde man eine Münze werfen. Die Geschichte wiederholt sich nicht, es mag bestenfalls Parallelen geben und auch diese dienen nur dem Versuch einer Orientierung in einer Marktphase, wo die meisten sich eben nicht vorstellen können wie es denn nun weitergeht. Tatsache ist: Niemand hat eine Glaskugel auf dem Schreibtisch, ich auch nicht, aber das müssen wir auch nicht. Es reicht völlig aus, wenn wir uns anschauen, welche Produkte und Dienstleistungen gegenwärtig in der Welt nachgefragt werden. Darauf reagiert die Wirtschaft und darauf antizipieren die Börsen.

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In diesem Wechselspiel zwischen Antizipation, Hoffnung und Erwartungen schwanken die Kurse mal mehr, mal weniger nach oben und nach unten und wir alten Hasen wissen, dass es meistens das Vernünftigste ist, dies aus einer gewissen gesunden Distanz zu beobachten und sich nicht durch Tages- oder Wochen-Schwankungen aus der Fassung bringen zu lassen.

Ich vergleiche das gerne in meinen Vorträgen mit den Wellen eines Ozeans. Was man sieht, sind mal kleine und mal große Wellen an der Oberfläche, je nachdem wie die Wetter(Stimmungs-)lage ist. Diese Wellen deuten aber niemals darauf hin, in welche Richtung man getrieben wird. Die wirklich wichtigen Strömungen passieren unterhalb der Oberfläche, sind nicht zu erkennen, bestenfalls zu fühlen, wenn man denn ein paar Meter runtertaucht. Und die wirklich gewichtigen Strömungen finden in noch größerer Tiefe statt, völlig unbeeindruckt dessen, was an der Oberfläche passiert.

Was also sind die neuen Strömungen? Genau darum geht es in den kommenden Wochen und Monaten. Die steigenden Infektionszahlen der Pandemie sind für mich eben nichts anderes als wieder einmal ein paar stürmische Wellen an der Oberfläche – irritierend, aber nicht richtungsweisend.

Die aktuelle Lage:

DAX: Wie ich es diese Tage schon formuliert habe, beschleunigt sich die Konsolidierung langsam in ihre finale Phase. Zwar kann noch immer nicht von Ausverkauf oder ähnlichem gesprochen werden, aber einige Indexstände nähern sich in kleinen Schritten meinen Zielmarken. Vielleicht lehne ich mich jetzt etwas aus dem Fenster, aber ich denke, im DAX könnten wir kommende Woche im Rahmen eines kleineren Ausverkaufs in der Bandbreite 12.000/12.200 landen. Damit wäre zwar der kurze Aufwärtstrend, den ich hier neulich skizziert habe, gebrochen, aber vor dem Hintergrund des allgemeinen stabilen Konjunkturumfelds ist das für mich noch kein Warnsignal. Viel wichtiger ist das, was an der Wall Street passiert.

Wall Street: So wie die Bären sich Tag für Tag etwas mutiger fühlen, so erwarte ich, dass der Nasdaq in der kommenden Woche sich langsam an die 10.300 heranpirscht. Besser würde ich es finden, wenn wir noch einmal auf die 10.000 zurückfallen, aber da will ich nicht kleinlich sein. Was ich sehen will ist, dass die tägliche Berichterstattung ins Negative kippt und sich die Anzahl der Analysten, die sich zu Wort melden und noch tiefere Kurse erwarten, erhöht. Dann nämlich weiß ich, dass die Märkte langsam ins überverkaufte tendieren und die Konsolidierung ihr Ende findet. Wäre zwar kommende Woche ein bisschen früh, denn ich hatte mir es lieber für den Ende Oktober gewünscht, aber warten wir’s jetzt erst einmal ab. Für diese Woche gilt jedenfalls: weiterhin Zurückhaltung, noch nicht zugreifen!

Die Agenda von heute:

Heute stand eine Aktie aus der zweiten Reihe im Mittelpunkt: Hella. Die vorgelegten Geschäftszahlen sind zwar in Ordnung, spiegeln aber nur die Vergangenheit bzw. die Folgen der Pandemie wider. Das bereinigte operative Ergebnis lag zwar über den Erwartungen, der operative Verlust war aber deutlich höher als gedacht und auch in der Umsatzentwicklung hängt das Unternehmen den Schätzungen hinterher. Das alles ist eher unwichtig, viel bedeutsamer wäre ein Ausblick gewesen, und der fehlte.

Zwar teilte Konzernchef Rolf Breidenbach mit, dass die Anzeichen für eine Markterholung erkennbar sind, aber eine konkrete Prognose fehlte. Immerhin: der Abschlag fiel mit -1,88 % im Kurs relativ gering aus und auch der mittelfristige Aufwärtstrend ist unverändert intakt. Da ich davon ausgehe, dass Hella auch gute Chancen in der E-Mobilität hat, bleibt diese Aktie ein Favorit von mir. Nicht teuer, solide Story, eher unauffällig und gutes Management. Empfehlung: abwarten, bis die untere Kante des Aufwärtstrends erreicht ist und dann noch mal zu kaufen.

Wesentlich schlechter ist da die Stimmung bei Airbus. Die Aussicht, dass die amerikanische Fluglinie Delta Airlines die Auslieferung bereits bestellter 40 Maschinen hinausschieben möchte, hat den Kurs erneut unter Druck gesetzt. Es fehlt nicht mehr viel und dann notiert Airbus wieder auf dem Niveau vom Höhepunkt der Pandemie. Ich muss zugeben, dass die Erholung der Luftfahrtbranche enttäuscht und auch ich zu optimistisch gewesen bin. Das liegt aber nicht an dem mangelnden Reiseinteresse, sondern viel eher an den unklaren politischen Regelungen weltweit hinsichtlich Reisekontrollen, Warnungen und Restriktionen die so unterschiedlich ausfallen, dass man eben am liebsten zu Hause bleibt.

Was soll’s, aufgeschoben ist nicht aufgehoben und ich bleibe auch hier dabei: 2021 wird dann das Gegenteil, nämlich das Jahr der Reisen. Warum ich da so zuversichtlich bin? Erstens, weil bis dahin die Aussicht einer Impfung etwas realistischer geworden ist und zweitens, weil nach dem Winter erkennbar ist, das Corona bleibt, aber nicht mehr soviel tötet. Was machen wir bei Airbus? Sobald wir im Rahmen der allgemeinen Zurückhaltung wieder in Richtung 53 Euro notieren, lege ich mich genau dort wieder auf die Lauer.

Kurz von der Wall Street:

Bei Nikola kracht und knarzt es jetzt ganz ordentlich im Gebälk! Das ist kein Entweichen von heißer Luft mehr, sondern einen Mini-Crash in einem Einzelwert. Von knapp 90 Dollar Anfang Juni auf aktuell 18 Dollar -wer hier falsch eingestiegen ist, hat schon ordentlich bluten müssen. Und wer den Börsenspruch kennt „Never catch a falling knife!“, der weiß, dass noch lange nicht der Zeitpunkt zum Einstieg gekommen ist. Vor dem Hintergrund, dass zurzeit niemand weiß, was hier eigentlich gespielt wird, gehe ich davon aus, dass wir erst bei ca. zehn Dollar wieder genau hinschauen sollten.

Und auch dann hätte ich ganz gerne ein bisschen mehr Substanz und nicht nur heiße Storys. Außerdem nicht vergessen: die Shortseller werden drücken, bis es quietscht. Was mich hier vielmehr beschäftigt, ist die Frage, wie dies das Stimmungsbild bei Nel ASA beeinträchtigt. Auf den Zusammenhang hatte ich ja hier schon hingewiesen. Hier sollten wir übrigens davon ausgehen, dass auch die untere Kante des Aufwärtstrends noch einmal getestet wird, also ca. zwölf norwegische Kronen. Keine Sorge, kein Ende der Story aber eine ordentliche Abkühlung der erhitzten Gemüter. Kauf? Auch hier noch nicht! Geduld, Geduld!

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