Trumps Zollpolitik entfacht globale Marktturbulenzen und Kapitalflucht nach Europa
Verschärfte US-Handelsbarrieren führen zu Marktvolatilität und lassen Investoren europäische Anlageoptionen favorisieren, während Renditeunterschiede sich verringern

- Globale Finanzturbulenzen durch amerikanischen Protektionismus
- Europas Attraktivität als Investitionsstandort wächst
- Rüstungswerte und Banken in Europa florieren
- Chinesische Exporteure kämpfen mit Margendruck
Die internationalen Finanzmärkte befinden sich in Aufruhr, während die USA und Europa im März 2025 zunehmend unterschiedliche wirtschaftliche Pfade einschlagen. Präsident Donald Trumps aggressive Zollpolitik, die am kommenden Mittwoch weitere Verschärfungen erfahren soll, sorgt für massive Verwerfungen an den globalen Börsen und leitet einen bemerkenswerten Kapitalfluss von den USA nach Europa ein. Besonders besorgniserregend für Investoren: Trump kündigte überraschend an, die neuen Zölle würden alle Länder betreffen, nicht nur ausgewählte Handelspartner.
Flucht in sichere Häfen verstärkt Marktturbulenzen
Die Ankündigung zusätzlicher Zölle hat einen regelrechten Ausverkauf bei Risikoanlagen ausgelöst. Der japanische Nikkei-Index verzeichnete am Montag einen Einbruch von 3,8% – der stärkste Tagesverlust seit sechs Monaten. Auch die Futures der amerikanischen Nasdaq-Börse und die wichtigsten europäischen Aktienindizes zeigten deutliche Verluste.
In diesem Umfeld suchen Anleger verstärkt Schutz in traditionellen sicheren Häfen. Der japanische Yen gewann gegenüber dem US-Dollar deutlich an Wert, während Gold ein neues Rekordhoch bei 3.112,14 Dollar erreichte und damit den dritten Tag in Folge einen historischen Höchststand markierte. Der Schweizer Franken, eine weitere klassische Fluchtwährung, konnte ebenfalls zulegen.
„Die jüngsten US-Wirtschaftsdaten enthielten einen deutlichen stagflationären Beigeschmack“, erklärt Ray Attrill von der National Australia Bank. Diese Kombination aus wirtschaftlicher Stagnation und Inflation treibt Investoren aus risikobehafteten Anlagen wie australischen und neuseeländischen Währungen in sichere Häfen.
Europas Renaissance als Investitionsstandort
Parallel zur zunehmenden wirtschaftlichen Unsicherheit in den USA zeichnet sich in Europa ein bemerkenswerter Wandel ab. Deutschland hat im März seine jahrzehntelange Sparpolitik aufgegeben und massive Ausgabenpläne beschlossen, während Brüssel bis zu 800 Milliarden Euro für die Aufrüstung mobilisieren will. Diese fiskalische Expansion in Europas größter Volkswirtschaft in Kombination mit Trumps protektionistischer Politik schafft ein neues Marktumfeld, das Investoren zunehmend nach Europa lockt.
„Es scheint, dass MEGA (Make Europe Great Again)-Trades jetzt schnell MAGA-Trades ersetzen, die ihren Reiz verloren haben“, sagt Mark Dowding, CIO bei RBCs BlueBay Fixed Income Team. Die europäischen Aktien steuern auf ihr bestes erstes Quartal im Vergleich zu US-Aktien seit einem Jahrzehnt zu, während der Euro in den letzten drei Monaten um 4% zulegte – die beste Quartalsperformance seit Ende 2023.
Besonders die Zinsdifferenz zwischen US-amerikanischen und deutschen Staatsanleihen spiegelt diesen tektonischen Wandel wider. Der Spread ist seit Jahresbeginn um 62 Basispunkte auf 158 Basispunkte gefallen – der größte vierteljährliche Rückgang seit der globalen Finanzkrise 2008, Pandemie-bedingte Bewegungen ausgenommen. Einige Analysten sehen sogar die Möglichkeit, dass dieser Spread unter 100 Basispunkte fallen könnte – ein Niveau, das seit 2013 nicht mehr regelmäßig erreicht wurde.
Deutsch-amerikanische Zinsdivergenz treibt Kapitalverschiebung
Die fiskalische Expansion Deutschlands lässt die Renditen deutscher Bundesanleihen steigen, während die US-Renditen unter dem Eindruck einer drohenden Wirtschaftsabkühlung fallen. „Das fiskalische Ausblick ist derzeit der Hauptgrund für die aktuelle Divergenz zwischen der Eurozone und den USA“, bestätigt Athanasios Vamvakidis, Global Head of Forex Strategy bei BofA.
Die Märkte rechnen inzwischen mit Zinssenkungen von 75 Basispunkten durch die US-Notenbank in diesem Jahr, obwohl dafür wahrscheinlich ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit erforderlich wäre. Für die EZB werden etwa 60 Basispunkte an Zinssenkungen eingepreist, für die Bank of England 50 Basispunkte.
„Fischere Renditen ziehen tendenziell mehr Kapital von Anlegern an, die bessere Renditen für ihr Geld suchen“, erläutert Reinout De Bock, Stratege bei UBS nach einer Reise in die USA letzte Woche. „Das Interesse an Europa war unter US-Investoren erstaunlich. Seit der Euro-Krise habe ich bei einem New York-Besuch nicht mehr so viel Interesse an Europa gesehen.“
Rüstungs- und Infrastrukturinvestitionen treiben europäischen Aufschwung
Die europäischen Rüstungs- und Luftfahrtaktien haben in diesem Jahr bereits um 33% zugelegt, wobei die Bewertungsmultiplikatoren die ihrer US-amerikanischen Pendants übertroffen haben und Niveaus erreicht haben, die sonst mit Luxus- oder Technologieunternehmen assoziiert werden. Der deutsche Panzerhersteller Rheinmetall war diesen Monat kurzzeitig teurer als Ferrari und wurde zum 44-fachen seiner erwarteten Gewinne gehandelt.
Experten empfehlen allerdings, nach der breiten Rallye selektiver vorzugehen. „Abgesehen von Waffen geht es bei der Verteidigung auch um Logistik, Daten, Kommunikation und Personal. Es ist eine umfassende Wertschöpfungskette, in der Zulieferer eine wichtige Rolle spielen“, erklärt Tomas Hildebrandt, Portfoliomanager bei Evli.
Auch europäische Banken profitieren von diesem Wandel und verzeichneten einen Anstieg von 26% seit Jahresbeginn – ihr bestes Quartal seit 2020. „Wir sind positiv für Banken gestimmt, da höhere Wachstumserwartungen die Zinskurve steiler machen sollten, was den Banken zugutekommen und das Kreditwachstum wirklich ankurbeln würde“, sagt Trevor Yates, Senior Investment Analyst bei GlobalX.
Chinesische Hersteller unter Druck durch US-Zölle
Während Europa von der veränderten geopolitischen Lage profitiert, geraten chinesische Hersteller zunehmend unter Druck. Richard Chen, der in Südchina Weihnachtsdekorationen für US-Einzelhändler wie Walmart und Costco herstellt, berichtet von dramatischen Auftragseinbrüchen: „Die Bestellungen betragen nur noch die Hälfte des Vorjahres.“
Am 4. Februar hatte Trump einen neuen 10%-Zoll auf chinesische Waren im Wert von 400 Milliarden Dollar verhängt, gefolgt von weiteren 10% am 4. März. Für den 2. April werden weitere gegenseitige Zölle erwartet. US-Kunden fordern nun Preisreduzierungen von 10%, aber viele chinesische Hersteller haben kaum Spielraum: „Die meisten Leute haben nicht 10% zu geben. Vielleicht können sie es für ein oder zwei Aufträge tun, aber 7% scheint für die meisten die Obergrenze zu sein“, erklärt Jonathan Chitayat von der Genimex Group.
Anders als beim ersten Handelskrieg 2018 können lokale chinesische Regierungen diesmal kaum mit Subventionen unterstützen, da sie durch die anhaltende Immobilienkrise bereits stark verschuldet sind. „Wenn kein Geld in der Tasche ist, wie können sie dann Subventionen bereitstellen?“, fragt Wirtschaftsprofessor He-Ling Shi von der Monash University in Melbourne.
Digitalisierung und KI-Wettlauf gehen trotz Handelsspannungen weiter
Ungeachtet der geopolitischen Spannungen schreitet der technologische Wettbewerb weiter voran. In China hat das KI-Startup Zhipu AI am Montag einen kostenlosen KI-Agenten namens AutoGLM Rumination vorgestellt, der tiefgehende Recherchen sowie Aufgaben wie Websuchen, Reiseplanung und das Verfassen von Forschungsberichten durchführen kann. Das Unternehmen behauptet, sein Modell GLM-Z1-Air erreiche die gleiche Leistung wie der Konkurrent DeepSeek R1, laufe jedoch bis zu achtmal schneller und benötige nur ein Dreißigstel der Rechenressourcen.
Das chinesische Startup, das 2019 als Ausgründung eines Labors der Tsinghua-Universität gegründet wurde, machte Anfang des Monats Schlagzeilen, nachdem es drei aufeinanderfolgende Finanzierungsrunden mit staatlicher Unterstützung in einem einzigen Monat gesichert hatte.
Während die Handelsspannungen zwischen den USA und China den globalen Handel belasten, setzt der zunehmende Wettbewerb im Technologiebereich die digitale Transformation der Weltwirtschaft fort – ein weiterer Faktor, der die zukünftige wirtschaftliche Landschaft prägen wird.