Vorstandsinterview Exklusiv: GK Software: „Wir erwarten einen weiteren Digitalisierungsschub im Handel“

Als Anbieter von Einzelhandelssoftware ist die GK Software SE bezogen auf die Neuinstallationen am Point of Sale bereits die Nummer 1 weltweit. Entsprechend positiv sind auch die 9-Monatszahlen mit einem EBITDA-Sprung um 9,6 Mio. Euro auf 11,8 Mio. Euro ausgefallen. Zuletzt beherrschte neben zwei neuen Großkunden im Cloud-Geschäft und den Vertriebserfolgen der Tochter „Deutsche Fiskal“ die neue Partnerschaft mit Microsoft die Schlagzeilen. BÖRSE GLOBAL hat bei GK-Finanzvorstand André Hergert nachgefragt und mit ihm u. a. über die besonderen Herausforderungen im Corona-Umfeld, die Vorteile der künftigen Präsenz auf Microsoft Azure und den Digitalisierungsschub im Handel gesprochen.

BÖRSE GLOBAL: Herr Hergert, GK Software hat das dritte Quartal wie auch die gesamten ersten neun Monate des laufenden Jahres trotz der Pandemie gut abschließen können. Das EBITDA konnte im 9-Monatszeitraum auf 11,8 Millionen Euro vervielfacht werden, der Umsatz legte um 7 % auf 85,25 Millionen Euro zu. Können Sie bitte einmal zusammenfassen, wo hier vor allem mit Blick auf Corona die besonderen Herausforderungen bestanden und wie Sie diese meistern konnten?

André Hergert: Die weltweite Pandemie hat in kürzester Zeit zahlreiche Parameter des Handels in allen Bereichen verändert und gleichzeitig Entwicklungen beschleunigt, die sich vorher allenfalls angedeutet haben. Für uns als Unternehmen bedeutete sie zunächst den Übergang in einen nahezu vollständigen Homeofficebetrieb. Da wir bereits vorher sehr stark mit verteilten Teams gearbeitet haben und die entsprechenden technischen Möglichkeiten vorhanden waren, wurde dieser Prozess bei GK innerhalb eines Wochenendes umgesetzt. Und das bezieht sich natürlich auch auf die Zusammenarbeit mit den Kunden: Seit vielen Jahren haben wir digitale Zugriffe auf deren Systeme, so dass wir auch hier reibungslos weiterarbeiten konnten. Weitaus herausfordernder war jedoch der Übergang zu nahezu vollständig digitalen Vertriebsprozessen. Dabei hat sich gezeigt, dass viele Prozessschritte auch remote erfolgen können. Die entscheidenden Knackpunkte sind jedoch die erste Kontaktaufnahme und die finalen Schritte vor einem Vertragsabschluss. Wenn langfristige Investitionsvorhaben besprochen werden und in der Folge über sie entschieden wird, ist der persönliche Austausch vor Ort häufig immer noch schwer zu ersetzen.

Im Zusammenhang mit der Berichtsvorlage konnten Sie auch den Zugang weiterer wichtiger Kunden melden. Wie stellt sich im derzeitigen Umfeld überhaupt die Nachfrage nach Ihren Produkten dar und gibt es derzeit besondere Treiber von Kundenseite her, die Ihnen als Anbieter in die Karten spielen?

André Hergert: Die aktuellen Entwicklungen zeigen zahlreichen Händlern die Beschränkungen ihrer gegenwärtigen Lösungen auf. Wenn schnell neue Konzepte wie Self-Scanning auf Kundengeräten, Buy-online-Pickup-in-Store oder personallose Filialen umgesetzt werden sollen, stellen sich neue Anforderungen an die eingesetzten Lösungen, die häufig nicht so ohne Weiteres realisiert werden können. Damit schafft die forcierte Digitalisierung im Handel für GK Software eindeutig neue Chancen, da wir mit unserer Plattform solche Entwicklungen bereits vorweggenommen haben: Wir verstehen uns ja als jemanden, der dem Einzelhandel solche Schritte überhaupt ermöglicht. Hinzu kommt, dass vor allem die großen Einzelhändler in der Regel langfristige Planungen haben, die von Corona zwar beeinflusst, nicht aber grundsätzlich verändert worden sind. Festzuhalten bleibt also, dass wir weiterhin eine große Nachfrage nach modernen Lösungen sehen, wenngleich die Entscheidungen auf Kundenseite durch die Pandemie durchaus erschwert worden sind.

Fast taggleich mit den vorläufigen 9-Monatszahlen haben Sie auch melden können, zukünftig mit ihrer cloud4retail-Lösung auf der Microsoft-Cloud-Plattform Azure vertreten zu sein. Nun gibt es ja mehrere Plattform-Anbieter. Welche besonderen Vorteile erhoffen Sie sich von der künftigen Präsenz auf Microsoft Azure?

André Hergert: Im Zusammenhang mit den Cloudlösungen unserer Tochter Deutsche Fiskal haben wir uns für die Microsoft Azure Plattform entschieden, woraus eine intensive Zusammenarbeit mit Microsoft entstanden ist. Auch wenn die meisten Cloud-Anbieter eine ähnliche Basis bieten, unterscheiden sie sich auf der Ebene der zusätzlich zur Verfügung gestellten Management- und Monitoringtools. Für die Deutsche Fiskal und auch für die ersten SaaS-Projekte für cloud4retail haben wir uns für Azure entschieden. Daraus ist eine Co-Selling-Partnerschaft mit Microsoft entstanden, in der beide Seiten die Lösungen des anderen promoten und vertreiben. Wir erwarten uns daraus für die Zukunft eine noch größere Reichweite und Vertriebsunterstützung für unsere Lösungen.

Ist geplant, in Zukunft auch auf anderen Plattformen vertreten zu sein, beispielsweise bei Amazon oder Google?

André Hergert: GK Software bietet ein offenes System an, um den Kunden vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten zu bieten. Dieses Prinzip haben wir bereits im Bereich der Hardware beachtet, und diese Offenheit ist Teil unseres Erfolgs gewesen. Denn letztendlich müssen und wollen unsere Kunden entscheiden, auf welche Cloud-Plattform sie setzen. Das heißt: Wir glauben, dass unsere Partnerschaft mit Microsoft uns und unseren Kunden zahlreiche Vorteile bietet, sie aber, genau wie unsere Partnerschaft mit SAP, nicht exklusiv sein kann.

Cloud4retail wird ja auch – wie von Ihnen bereits angesprochen – als sogenanntes SaaS-Produkt (Software as a Service) angeboten. Welche Vorteile bietet diese Art der Vertriebsform für Sie und wie ist denn die bisherige Resonanz darauf?

André Hergert: Wir konnten in diesem Jahr die ersten zwei Kunden davon überzeugen, unsere Lösungen von uns als Software-as-a-Service zu beziehen. Dies deutet darauf hin, dass sich insofern auch im Handel ein Wandel vollzieht. Die Cloud wird offensichtlich nicht nur als Technologie, sondern auch als weitergehendes Betriebsmodell immer interessanter. Schon seit längerem setzen Kunden unsere Lösungen technologisch in der Cloud ein. Das Neue ist, dass jetzt die ersten Einzelhändler große und geschäftskritische Lösungen in die Betriebsverantwortung Dritter geben. Und diese Angebote sind in ihrem Vergütungsmodell Subskriptionsmodelle, was dem Einzelhändler eine gut planbare Grundlage liefert. Aber auch für uns entsteht aus diesen „Recurring Revenues“ so natürlich eine längerfristig sichere Umsatzbasis. Allerdings erwarten wir nicht, dass sofort alle Händler in breiter Front auf dieses Modell umschwenken, sondern sehen eher einen sukzessiven Prozess. Dabei werden sicher auch die Größe der Händler und ihre internen IT-Kapazitäten darüber entscheiden, ob sie sich für ein Software-as-a-Service-Modell entscheiden. 

Bleiben wir gleich noch beim Cloud-Thema. Auch Ihre Tochter Deutsche Fiskal hat diesbezüglich ein entsprechendes Produkt, die Fiskal Cloud, im Angebot. Worum geht es hier und welche Vorteile bietet hier eine Cloud-Lösung für Nutzer?

André Hergert: In Deutschland gelten ab dem 1. April 2021 neue, strenge Regeln der Steuerbehörden für jeden, der Bargeld oder bargeldähnliche Zahlungen akzeptiert. Konkret muss jeder entsprechende Beleg mit einer eindeutigen Signatur versehen werden und die Angaben dazu sowie zu den notwendigen technischen Sicherungseinrichtungen müssen in einer bestimmten Art und Weise langfristig gespeichert werden. Die technische Sicherungseinrichtung kann dabei auf jedem System oder aber in der Cloud zur Verfügung gestellt werden. Unsere 100-prozentige Tochter Deutsche Fiskal hat gemeinsam mit der Bundesdruckerei eine Cloud-Lösung für diese anspruchsvollen Vorgaben entwickelt. Diese ist als bislang einzige Cloud-Lösung vom BSI zertifiziert worden. Große Händler mit vielen Systemen sowie zahlreiche Anbieter von Kassensoftware wollen eine Cloud-Lösung, da das Handling viel einfacher, zukunftssicher und kostengünstig ist. Wir freuen uns sehr, dass wir unsere Erwartungen in Bezug auf die Anzahl der Systeme, die wir mit unserem reinen SaaS-Angebot ausstatten können, voraussichtlich übererfüllen können. Damit wird die Deutsche Fiskal im kommenden Jahr einen deutlichen Umsatzbeitrag bei einer voraussichtlich attraktiven Marge zum Gesamtergebnis der Gruppe beisteuern können.

Digitale Zahlungslösungen am Point of Sale, also in den Filialen der Händler, bilden bislang das größte Segment im Bereich E-Payment. Gerade dieses Jahr mit der Corona-Pandemie und den zahlreichen Lockdowns rund um den Globus haben allerdings das reine E-Commerce-Geschäft deutlich nach vorne bringen können. Wie schätzen Sie mittel- bis langfristig die weiteren Perspektiven von stationärem und Online-Handel ein, auch in der gegenseitigen Wechselwirkung?

André Hergert: Wir glauben, dass der langfristige Trend zu Omni-Channel-Retailing weiter verstärkt wird, da Händler, die in allen Kanälen unterwegs sind, die aktuelle Situation voraussichtlich deutlich besser bewältigen können. Daher waren unsere grundsätzliche Lösungskonzeption und ihre Umsetzung hier richtig und haben uns in diesem für Teile des Handels sicher schwierigen Jahr in eine gute Position gebracht. Generell erwarten wir einen weiteren Digitalisierungsschub im Handel, von dem wir profitieren wollen, indem wir auch mit neuen Lösungen wie GetMyGooods, Frictionsless Stores oder mobilem Self-Scanning permanent – und aufgrund unseres grundsätzlichen Plattformansatzes auch schnell zur Marktreife gebrachte – Produkte entwickeln, die diesen Entwicklungen Rechnung tragen.

In diesem Zusammenhang: Sind Entwicklungen und Implementierungen von reinen E-Commerce-Lösungen ein Thema für GK Software?

André Hergert: Es gibt mehrere Anbieter von ausgereiften Lösungen für diesen Bereich, mit denen wir unsere Lösungen sehr gut vernetzen können. Wir sehen uns daher weiterhin eher im Bereich der Infrastruktur, um E-Commerce, klassischen Handel oder mobile Lösungen zu vernetzen und dafür zu sorgen, dass die Konsumenten den Einkauf überall beginnen, fortsetzen oder beenden können. Wie gesagt: Wir sind Plattformanbieter für den Einzelhandel und können so auch die Angebote Dritter in diese Plattform sehr schnell einbinden und so auch spezielle Funktionen und Prozesse unseren Kunden zur Verfügung stellen.

Kommen wir noch einmal zurück auf die vorhandenen Produkte. Wenn man sich mal anschaut – cloud4retail, OmniPOS und Fiskal Cloud: Wie können diese drei Hauptprodukte zusammenspielen und damit einen Mehrwert für Ihre Kunden und natürlich dann auch entscheidende Marketing-Argumente im Cross-Selling liefern?

André Hergert: Die technologische Basis unseres Angebotes ist die cloud4retail Plattform. Auf dieser stellen wir andere Angebote wie OmniPOS, Warenwirtschaft und vieles mehr zur Verfügung. Dabei können wir Kunden auf ihrem Weg in die Cloud begleiten, egal, ob sie sofort ein SaaS-Modell wollen oder zunächst ein On-Premises-Modell bevorzugen. Wichtig ist für uns, dass all unsere Lösungen auf gleichen technologischen Standards, Regeln und Grundlagen beruhen. Das reduziert für uns die Entwicklungskosten und erhöht die Wiederverwertbarkeit. Gleichzeitig gewinnt das Thema Offenheit für Eigenentwicklung der Kunden und für Lösungen Dritter immer mehr an Fahrt. Unser Innovationsportal Omnibasket ist genauso eine Antwort darauf, wie die Fiskal Cloud, die nicht nur mit den Lösungen unserer Gruppe zusammenspielt, sondern an die mittlerweile rund 20 andere POS-Lösungen angedockt haben.

Noch eine Frage zum Ausblick. Sie hatten ja bei der Berichtsvorlage bestätigt, dass Sie für das laufende vierte Quartal sowohl beim Umsatz als auch bei der Profitabilität weitere Verbesserungen erwarten, auch wenn die Lage wegen der neuerlichen Lockdowns schwierig bleibt. Was erwarten Sie denn grundsätzlich vom nächsten Jahr bzw. auch darüber hinaus?

André Hergert: Gegenwärtig sind Prognosen generell mit vielen Unsicherheiten behaftet, da wir noch nicht wissen, ob die zu erwartenden Maßnahmen gegen die Pandemie im kommenden Frühjahr richtig greifen werden. Daher haben wir bislang auch noch keine Prognose für das kommende Jahr veröffentlicht. Für 2020 bleibt es bei der im Halbjahresbericht veröffentlichten Aussage, dass wir davon ausgehen, dass der Umsatz leicht und das Ergebnis überproportional wachsen werden. Hier fühlen wir uns auf der Basis der 9-Monatsergebnisse auch gut aufgestellt. Eine Prognose für das Geschäftsjahr 2021 werden wir erst mit dem kommenden Geschäftsbericht veröffentlichen, wenn wir hoffentlich deutlicher sehen, wie die allgemeinen Entwicklungen im nächsten Jahr sind.

Herr Hergert, besten Dank für das Gespräch.

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