Vorstandsinterview: HanseYachts – „Die Online-Zugriffe haben sich verdoppelt“
Mit einem Rekordauftragsbestand nach 9 Monaten hat die HanseYachts AG das dritte Quartal 2019/2020 beendet. „Uns hat die Pandemie zu einem Zeitpunkt getroffen, als wir gerade die höchsten Frühjahresverkäufe aller Zeiten hatten“, erläutert CEO Dr. Jens Gerhardt im Interview mit BÖRSE GLOBAL. Um die ausgefallenen Bootsmessen zum Teil zu kompensieren, hat HanseYachts stark auf Online umgeschwenkt. Anders als im Automobilsektor sieht er im Bootsmarkt keine strukturellen Probleme. Im Gegenteil: Das eigene Boot sei eine der sichersten Alternativen, den Risiken des Massentourismus zu entgehen.
Herr Dr. Gerhardt, wie stark war das 9-Monatsergebnis der HanseYachts AG schon von den Auswirkungen der Corona-Krise belastet?
Dr. Gerhardt: Der Lockdown ging ja Anfang März los. Daher ist fast ein ganzer Monat in diesen Zahlen von den Pandemie-Eindämmungsmaßnahmen belastet. In der ersten Zeit erreichten uns im Wesentlichen die schlimmen Informationen aus Italien. Wir haben uns daher darauf konzentriert, Material aus Italien zu lagern und von der Just-In-Time-Lieferung zu befreien. Im weiteren Verlauf fehlten uns an allen Standorten Mitarbeiter. Einige Grenzgänger konnten nicht zu uns zurückkehren, einige aufgrund der privaten Kinderbetreuung und in Frankreich durften die Bürger grundsätzlich selbst entscheiden, ob sie zu Hause bleiben. Wir hatten zwar viele Aufträge, mussten aber dennoch unsere Produktionsgeschwindigkeit verringern, in Folge fehlte Umsatz und Marge im März.
Zum 31.03. konnten Sie einen Rekordauftragsbestand nach neun Monaten ausweisen. Wie viel Rückenwind gibt dieser für die kommenden Monate?
Dr. Gerhardt: Uns hat die Pandemie zu einem Zeitpunkt getroffen, als wir gerade die höchsten Frühjahresverkäufe aller Zeiten hatten. Die Boot 2020 in Düsseldorf Ende Januar war unsere erfolgreichste Messe bisher überhaupt. Daher standen wir mit einem Rekordauftragsbuch Ende der ersten 9 Monate im März. Das ist auch der wesentliche Unterschied zur Automobilbranche, die sofort die Produktion einstellen musste, weil sie ohnehin gerade in einer Krise steckte. Wir haben bisher die ganze Zeit weiter produziert. Zwar etwas langsamer wegen der fehlenden Mitarbeiter, aber kontinuierlich.
Im vergangenen Jahr haben Sie den französischen Katamaran-Hersteller Privilège übernommen. Wie auch im aktuellen Bericht ausgewiesen, wird das Ergebnis noch von Integrationskosten belastet. Wie ist hier der weitere Fahrplan bzw. die Erwartung bzgl. der Belastungen?
Dr. Gerhardt: Auch bei Privilège waren wir Ende März im Plan. Aus der Erfahrung lässt sich sagen, dass eine neue Marke, die ein Umsatzpotenzial von 20 bis 30 Millionen Euro hat, das EBITDA in der Startphase in der Regel mit etwa 4 bis 6 Millionen Euro belastet. Liegt der Erwerbszeitpunkt im Januar, verteilt sich diese Summen auf zwei Geschäftsjahre. Ein Kauf im Sommer, wie im aktuellen Fall Privilège im Sommer, belastet im Wesentlichen nur ein Geschäftsjahr. Hier hat die Pandemie nur geringe Auswirkungen, da das Orderbuch mehr als ein Jahr lang ist. Lediglich die fehlenden Mitarbeiter verschieben den Break-even, aber das ist nicht gravierend.
Wie verläuft insgesamt die neue Zusammenarbeit mit Privilège? Wo sind die stärksten Synergieeffekte bzw. gibt es noch Herausforderungen, die auf der Agenda stehen?
Dr. Gerhardt: In vielen Bereichen sind wir schon sehr weit. Der größte Händler von Privilège ist mittlerweile ein Hanse-Händler aus der Karibik, das Marketing ist vollständig in Greifswald, ebenso die Möbelproduktion der 50-Fuß-Katamarane. Die Schotten der neuen Privilège Signature 580 kommen komplett aus Polen. Die beiden neuen Privilège-Katamarane 510 und 580 wurden in Greifswald entwickelt. Mehr als 80 % der Teile werden zentral eingekauft. Es gibt aber auch noch genug Baustellen. Zum Beispiel ist das Management stark damit beschäftigt, mehrere Prototypen gleichzeitig zu fertigen. Auch brauchen wir noch mehr gute Bootsbauer, um das Break-even-Level zu erreichen. Aber hier hilft uns die Corona-Pandemie sogar, denn viele andere Werften haben geschlossen und das Recruiting fällt uns plötzlich viel leichter.
Wenn man es mal so zusammenfassen möchte, ist der Verkauf von Motor- und Segelbooten ja doch ein Geschäft, wo viel über Emotion und das sprichwörtliche Anfassen geht. Wie schwierig ist derzeit der Vertrieb angesichts zahlreicher ausgefallener Bootsmessen in diesem Jahr wegen Corona.
Dr. Gerhardt: Um die ausgefallenen Bootsmessen zum Teil zu kompensieren, haben wir stark auf Online umgeschwenkt. Wir veranstalten virtuelle Boat-Shows, drehen noch mehr und ausführlichere Videos und haben unsere Aktivitäten in den sozialen Netzwerken deutlich ausgebaut. Diese zusätzlichen Vertriebsmaßnahmen können aber nur einen Teil der Messeaktivitäten auffangen. In vielen Fällen wollen Interessenten vor dem Kauf erst ein fertig dekoriertes Boot auch betreten. Die Kunden müssen feststellen, wie sie sich fühlen, das ist online nur bedingt möglich, sondern nur auf Messen oder in Show-Rooms bzw. auf private Einladung.
Sehen Sie schon erste Erfolge Ihrer verstärkten Online-Aktivitäten und was erwarten Sie von dieser Plattform, auch über Corona hinaus?
Dr. Gerhardt: Ja, im Vergleich zum letzten Monat vor dem Lockdown verzeichnen wir inzwischen doppelt so viele Online-Zugriffe auf unser Angebot mit deutlich längeren Verweildauern. Viele Interessenten sitzen zuhause vor dem Bildschirm und träumen von Booten. Das unterstützen wir natürlich gerne. Ich bin zuversichtlich, dass viel von dem neuen Material, welches wir gerade erzeugen, später zum Standard werden wird. Vielleicht kommen wir in Zukunft auch mit weniger Boat-Shows aus. Für das Kalenderjahr 2020 hatten wir mit sechs Marken 95 Messen geplant, alle mit realen Booten. Das war auch ein immenser Aufwand.
Stichwort Modellpolitik: Mit dem neuen Modell Fjord 41XL wollen Sie eine weitere Stufe der Individualisierung erreichen, quasi ein Baukastensystem, aus dem der Kunde sich sein Boot zusammenstellen kann. Welche Vorteile bringt das Ihnen als Bootsbauer und könnte das auch ein Ansatz für andere Modelle werden?
Dr. Gerhardt: Ehrlich gesagt wird es für uns in diesem Fall komplexer, die Vorteile liegen eher beim Kunden. Wir haben ein wenig Lego gespielt aus Sicht des Kunden. Dieser kann sich das Boot nun genau so zusammenbasteln wie ein Lego-Raumschiff. Der eine Kunde will ein Cooking-Boot mit Küche unter Deck und doppelter Pantry an Deck und Tischen zum Essen. Ein anderer Kunde kann auf 41 Fuß zwei volle Toiletten bekommen mit viel freiem Platz für mehr Gäste und Party. Der nächste kann die zweite Kabine voll ausbauen und ein Familienschiff daraus machen. Trotzdem ist das alles kein Custom-Made-Bau, der ewig dauert und am Ende unbezahlbar wird. Das ist eine neue Art, Boote zu konfigurieren.
Was sind die größten Herausforderungen für HanseYachts, wenn Sie auf die kommenden Monate blicken?
Dr. Gerhardt: An sich ist diese Krise ja keine des Bootsmarktes und es trifft uns gerade in einer absolut guten Phase. Trotzdem wird es schwerer, Boote zu verkaufen, wenn Häfen geschlossen werden und Grenzen nicht übersegelt werden dürfen. Messen waren bisher der zentrale Platz, um neue Boote zu verkaufen. Das könnte künftig auch anders organisiert werden, dieser Wandel benötigt aber Zeit. Ich bin zuversichtlich, dass das Boot als sehr sicherer Platz erkannt wird, um Urlaub mit der Familie oder guten Freunden zu machen und folglich eher ein Krisengewinner sein wird. Im ersten Schritt müssen wir aber die temporären Herausforderungen meistern: geschlossene Grenzen, Häfen und Messen.
Der Markt der Yachthersteller ist ja nach wie vor recht zersplittert. Sehen Sie durch die insgesamt schwierige Lage einen gewissen Konsolidierungsdruck im Markt?
Dr. Gerhardt: Die Branche ist noch immer sehr jung und es gibt noch viel Potenzial für Konsolidierung, aber Corona beschleunigt das derzeit eher nicht, weil auch die Konkurrenz mit vollen Büchern erwischt worden ist. Das heißt nicht, dass auch sie nicht ihre Schwierigkeiten haben, z. B. bei der Materialversorgung oder bei der Personalplanung, aber sie haben ja keine neuen strukturellen Probleme, so wie unsere Kollegen von der Automobilindustrie Probleme mit dem Verbrennungsmotor haben.
Einen konkreten Ausblick können Sie derzeit nicht geben. Warum sollten sich Investoren dennoch aktuell mit der HanseYachts-Aktie beschäftigen?
Dr. Gerhardt: Überseeflüge und Kreuzfahrten waren gerade am Boomen, weil wir gerne viel für guten Urlaub ausgeben wollen. Ein besonderer Urlaub bringt uns mit unseren Familien wieder dichter zusammen. Das eigene Boot ist nun eine der sichersten Alternativen den Risiken des Massentourismus zu entgehen.
Herr Dr. Gerhardt, vielen Dank für das Interview.
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